Die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung und ihre Praxistauglichkeit

Der Gesetzgeber stellt u.a. unter den Links

https://www.gesetze-im-internet.de/bgbeg/art_253anlage_1.html

eine Art „Baukastensystem“ für die Widerrufsbelehrung gegenüber Verbrauchern sowie unter

https://www.gesetze-im-internet.de/bgbeg/art_253anlage_2.html

eine Vorlage für das Muster-Widerrufsformular bereit.

Es ist sinnvoll, sich daran zu orientieren, begründet die Verwendung des Musters doch eine gesetzliche Vermutung, dass der Verbraucher dann – wenn sie benutzt wurde – rechtskonform belehrt wurde. Denn § 356 BGB gewährt dem Unternehmer gerade das Recht, dieses Muster zu verwenden:

§ 356 Absatz 1 Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und
Fernabsatzverträgen
„(1) Der Unternehmer kann dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular nach
Anlage 2 zu Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche
oder eine andere eindeutige Widerrufserklärung auf der Webseite des Unternehmers auszufüllen und zu
übermitteln. Macht der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss der Unternehmer dem Verbraucher
den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen.“

Wer sich damit aber einmal genauer befasst hat, stößt schnell eine seine Grenzen, bspw. soweit es sich um gemischte Verträge handelt oder verschiedene Alternativen der (vollständigen oder auch schrittweisen) Warenlieferung(en) im Raum stehen.

Bei Anpassungshinweis Nr. 6 scheint zudem im Rahmen des Formulierungshilfe einige Alternativen vergessen zu haben:

6 Im Falle eines Vertrags zur Erbringung von Dienstleistungen oder der Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, oder von Fernwärme fügen Sie Folgendes ein: „Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistungen oder Lieferung von Wasser/Gas/Strom/Fernwärme [Unzutreffendes streichen] während der Widerrufsfrist beginnen soll, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich dieses Vertrags unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht

Nutzt man sklavisch diese Formulierung, so ginge man bei der Lieferung […] nach dem Wortlaut also leer aus.

Die Lösung kann aus unserer Sicht daher nur in einer passgenauen Anpassung der Vorlagen liegen, selbst dann, wenn dadurch die Vermutungswirkung zugunsten der Muster-Widerrufsbelehrung entfiele.

Glücklicherweise hat der Gesetzgeber in §§ 13, 13a UWG die Möglichkeiten der (oft rechtsmissbräuchlichen) Abmahnung seitens Wettbewerbern stark eingeschränkt, vgl.:

§ 13 Absatz 4 Nr. 1 UWG

„(4) Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach Absatz 3 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 ausgeschlossen bei
1. im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten […]“

und

§ 13a Absatz 2 UWG

(2) Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nach Absatz 1 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 bei einer erstmaligen Abmahnung bei Verstößen nach § 13 Absatz 4 ausgeschlossen, wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Gleichwohl bleibt es aber in Ermangelung einer (richtigen) Widerrufsbelehrung bei der Rechtsfolge, dass ein eigentlich bereits als abgelaufenes Widerrufsrecht fortbesteht oder beispielsweise der Unternehmer seinen Anspruch auf Wertersatz für (Teil-)Leistungen oder Verschlechterung der Ware verliert.

Es ist also durchaus ratsam, sich weiterhin als Unternehmer im Rechtsverkehr mit Verbrauchern ausreichend mit dem Thema Widerrufsrechte zu befassen, dies insbesondere auch auf Grund jüngster gesetzlicher Neuerungen, welcher bspw. auch bestehende Geschäftsmodelle (und Lieferzeitpunkte) hinsichtlich digitaler Inhalte in Frage stellen können oder alternativ weitergehende Pflichten für Hinweise und Zustimmungen sowie deren Dokumentation, als bisher, mit sich bringen, vgl. u.a.

§ 356 Absatz 5 Ziffer 2 BGB:

„(5) Das Widerrufsrecht erlischt bei Verträgen über die Bereitstellung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten auch unter folgenden Voraussetzungen:
[…]
2. bei einem Vertrag, der den Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet, wenn
a) der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat,
b) der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Vertragserfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt,
c) der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass durch seine Zustimmung nach Buchstabe b mit Beginn der Vertragserfüllung sein Widerrufsrecht erlischt, und
d) der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung gemäß § 312f zur Verfügung gestellt hat. „

So Sie dazu fragen haben sollten, beraten wir Sie gern!