Organisiert missionarisch tätige Religionsgemeinschaften müssen das Datenschutzrecht beachten

Das Grundrecht auf Gewissens-und Religionsfreiheit erlaubt es Religionsgemeinschaften grds., durch deren Mitglieder von Haustür zu Haustür ziehen, um ihre Lehren zu verkünden.

Der Europäische Gerichtshof hat am 10.07.2018 aber (bereits im Hinblick auf das sog. „alte Datenschutzrecht vor Inkrafttreten der DS-GVO) entschieden, dass diese Verkündigungstätigkeit keinen ausschließlich persönlichen oder familiären Charakter hat, der die Religionsgemeinschaft von unionsrechtlichen Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten befreien würde.

Das bedeutet: Die organisierte Verkündigung religiöser Lehren an der Haustür von Privatpersonen ist eine datenschutzrechtlich relevante Verarbeitungstätigkeit und macht die Religionsgemeinschaft mit ihren Mitgliedern gemeinsam zu Verantwortlichen!

Exkurs zum neuen Recht:

Art. 26 DSGVO
(1) 1Legen zwei oder mehr Verantwortliche gemeinsam die Zwecke der und die Mittel zur Verarbeitung fest, so sind sie gemeinsam Verantwortliche. 2Sie legen in einer Vereinbarung in transparenter Form fest, wer von ihnen welche Verpflichtung gemäß dieser Verordnung erfüllt, insbesondere was die Wahrnehmung der Rechte der betroffenen Person angeht, und wer welchen Informationspflichten gemäß den Artikeln 13 und 14 nachkommt, sofern und soweit die jeweiligen Aufgaben der Verantwortlichen nicht durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen die Verantwortlichen unterliegen, festgelegt sind. 3In der Vereinbarung kann eine Anlaufstelle für die betroffenen Personen angegeben werden.
(2) 1Die Vereinbarung gemäß Absatz 1 muss die jeweiligen tatsächlichen Funktionen und Beziehungen der gemeinsam Verantwortlichen gegenüber betroffenen Personen gebührend widerspiegeln. 2Das wesentliche der Vereinbarung wird der betroffenen Person zur Verfügung gestellt.
(3) Ungeachtet der Einzelheiten der Vereinbarung gemäß Absatz 1 kann die betroffene Person ihre Rechte im Rahmen dieser Verordnung bei und gegenüber jedem einzelnen der Verantwortlichen geltend machen.

 

Begründung:

Die der Entscheidung zugrunde liegende Religionsgemeinschaft ermuntere eigene Anhänger zur Verkündigung. Entscheide sich ein Mitglied dieser Tätigkeit nachzugehen, sei dies nicht ausschließlich seine private Angelegenheit, sondern eine Verarbeitungstätigkeit, wofür er ebenso wie seine Religionsgemeinschaft (mit-)verantwortlich sei. Um ihre Hausbesuche zu realisieren, werden von den Mitgliedern mindestens Namen und Adressen aufgenommen, was zu einer Sammlung solcher Daten führe. Dabei seien oft mehrere Personen in unterschiedlichem Grad an der Verarbeitung beteiligt und demnach auch „verantwortlich“, was im Hinblick auf den jeweiligen Grad der (Mit-) Verantwortlichkeit von Einzelfall zu Einzelfall zu prüfen wäre.