Kunst vs. Datenschutz … Was für den einen ein wunderschönes Lächeln ist, ist für den anderen nur noch eine gefährliche Datenspur

Kaum ein Thema wurde in der Fotografie- und (insbesondere Dokumentar-)Filmszene in den Monaten vor Mai 2018 in den Foren derart heiß diskutiert, wie die Abgrenzung des sog. Rechts am eigenen Bild und des (dann neuen) Datenschutzrechts nach der Datenschutzgrundverordnung (nachfolgend „DS-GVO“), welche am 25. Mai 2018 in Kraft trat.

Es gibt jedoch in rechtlicher Hinsicht Lösungen! Die Frage ist lediglich, ob diese praktikabel im „täglichen Einsatz“ sind.

 

I. Der „Bruch“ im bestehenden System

 

Um das Problem zu verdeutlichen, wird zunächst nachfolgend die alte und dann die (nicht mehr ganz so) neue Rechtslage dargestellt.

 

  1. Die „gute alte Zeit“

Vor Inkrafttreten der DS-GVO richtete sich die Frage, ob ein Bildnis (meint sowohl die Fotografie als auch die filmische Aufnahme) verwertet werden kann nach den §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (nachfolgend „KUG“).

Streng zu trennen war und ist übrigens schon nach „altem Recht“ die Aufnahme einer Person von der späteren Verwertung eines solchen Bildnisses. Im Rahmen der Aufnahme stellt(e) man sich bspw. die Frage, ob schon hierzu in fremde Rechte (z.B. das sog. allgemeine Persönlichkeitsrecht oder gar durch Hausfriedensbruch) eingegriffen wird. Geschützt war und ist insoweit bspw. ein jeder in seiner Intimsphäre und zwar schon vor der Erstellung etwaiger (Foto- oder Film-)Aufnahmen.

Ist ein Bildnis erst einmal geschaffen, so stellt sich die hier zu betrachtende weitergehende Frage, ob selbiges (z.B. in einer Zeitung, einem künstlerischen Dokumentarfilm oder einem Fernsehbeitrag) verwertet werden kann. Dies war und ist bis heute in §§ 22 KUG wie folgt geregelt:

 22 KUG [Auszug]

„Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. […]“

Es bedarf also zunächst einer Einwilligung, bevor ein solches Bildnis bspw. in einer Zeitung abgedruckt werden kann. Das bloße „Lächeln“ in die Kamera reicht übrigens nicht aus. Niemand, der abgelichtet wird, kann allein hieraus deuten, was der Fotograf damit vorhat. Auch der zweite Satz

„Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt.“

legt nahe, dass bloße Höflichkeit im Angesicht einer Kamera nicht sogleich auf eine stillschweigende Einwilligung zur Verwertung der Bildnisse schließen lassen kann. Sonst bräuchte es diesen Satz im Gesetz nicht, welches  eine solche im „Zweifel“ anzunehmende Einwilligung dann annimmt, wenn die abgebildete Person für die Abbildung eine Entlohnung (z.B. ein Entgelt) erhielt. Wichtig ist auch der Bezug der Entlohnung für das „sich abbilden lassen“. D.h. ein Mitarbeiter eines Unternehmens, der bspw. für den Verkauf eingestellt ist und in die Kamera des Chefs lächelt, bekommt eben keine Entlohnung dafür, dass „er sich abbilden ließ“.

Nun werden zu Recht bspw. Dokumentarfilmer und Zeitungsfotografen sich fragen, ob sie mit einem Bein im „Gefängnis“ stehen. Das ist keine übertriebene Überlegung, denn – was oft übersehen wird – die Verletzung des Rechts am eigenen Bild kann zu strafrechtlichen Folgen führen:

33 KUG

„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.“

Gleichwohl nannten sowohl der § 22 KUG als auch der § 23 KUG bereits mögliche Lösungen. Zunächst gab es die Möglichkeit der Einwilligung in die Verwertung. Schon nach altem Recht musste dabei darauf geachtet werden, dass die Einwilligung ausreichend eindeutig und klar formuliert war. So muss bspw. ein Hobby-Model, welches erste Versuche mit künstlerischem Akt macht und in die Verwertung für eine Ausstellung einwilligt, nicht damit rechnen, danach ihr Bildnis online in einschlägigen Portalen wieder zu finden.

Da, wo keine Einwilligung zu erhalten ist bzw. deren Einholung nicht praktikabel wäre, kann zudem der Blick in den § 23 KUG lohnen:

23 KUG

„(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;

Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;

Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.“

Über die Ausnahmefälle des § 23 KUG könnte man bereits einige Seiten füllen. Vorliegend wollen wir uns aber nur mit einigen Beispielen begnügen:

Absatz 1 Ziffer 1 würde bspw. die Verwertung eines Bildnisses des aktuellen Bundeskanzlers in seiner Funktion abdecken. Absatz 1 Ziffer 2 wäre bspw. eine Fotografie eines Museums, vor dem sich ganztägig Menschen aufhalten. Der Fokus liegt auf dem Museum. Man hat es als Fotograf nicht zu verantworten, dass die anderen Leute auch anwesend sind und vermeidet (z.B. durch die entsprechende Schärfentiefe) möglichst deren Erkennbarkeit. Absatz 1 Ziffer 3 dürfte das bekannteste Beispiel sein und flankiert vorrangig die Pressefreiheit. Es muss der Presse möglich sein, über eine bspw. politische Versammlung zu berichten, ohne danach jeden einzelnen Teilnehmer um Erlaubnis zu bitten, um den Bericht mit Bildern zu unterlegen. Die letzte in Absatz 1 Ziffer 4 benannte Fallgruppe wird vor allem im Zusammenhang mit der sog. „Street Photography“ diskutiert. Gerade aber auch im Hinblick auf Absatz 1 Ziffer 4 wird auch die Gegenausnahme des Absatz 2 relevant:

„(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.“

Das heißt, man fragt sich zunächst:

Habe ich eine Einwilligung bzw. kann ich diese erhalten (§ 22 KUG)? Falls nein, schaut man in § 23 Absatz 1 KUG, ob das Bildnis vielleicht einer der dortigen Ausnahmen unterfallen könnte. Hat man dann eine solche Ausnahme gefunden, ist man dennoch als potentieller Verwerter der Aufnahme verpflichtet, sich zu fragen, ob nicht bspw. der Abgebildete dennoch berechtigte Interessen hat, nicht in dieser Form gezeigt zu werden. „Niest“ so bspw. ein hochrangiger Politiker bei einem Staatsbegräbnis auf einem Bild der Serie und hat den hieraus folgenden „unkontrollierbaren“ Gesichtsausdruck, so dürfte man schon aus Gründen des Anstands ein anderes Foto nehmen (müssen).

Anders als im vorgenannten Beispiel ist die Bewertung des berechtigten Interesses der abgebildeten Person nicht immer einfach vorzunehmen und läuft auf eine Güterabwägung hinaus. Erheblich ist insoweit auch die Frage, wie hoch das Interesse der Allgemeinheit an einer dem Bild innewohnenden Information ist. So dürfte es für die Allgemeinheit schon von Belang sein, ob ein Kanzlerkandidat am Rande des Besuch einer von einer Flut betroffenen Region einen Lachanfall bekommt. Ob wiederum ein mehr oder weniger „Prominenter“ oder gar Politiker sich auf einer Messe oder sagen wir bspw. (dies freilich völlig ohne Anlass) Weltausstellung an bzw. hinter einem Messestand oder Pavillon erleichtert, dürfte – so hofft man auch für ihn – eine weniger „brennende“ Frage (gewesen) sein.

Gerade im Kunstbereich ließen sich Fotografen zur Sicherheit vor dem Hintergrund der schwierigen Abwägung im Rahmen des § 23 Absatz 1 Ziffer 2 und Absatz 2 KUG regelmäßig Einwilligungen unterschreiben (auch häufig „Model Release“ genannt) und fühlten sich damit gewappnet. Diese Einwilligungen waren nach damaliger Rechtsprechung auch seitens der Models nur schwer „zurückzuziehen“. Die Gerichte forderten insoweit häufig einen „wichtigen Grund“. In der juristischen Literatur wandte man nach wohl überwiegender Auffassung hierauf eine Norm aus dem Urheberrechtsgesetz (nachfolgend „UrhG“) entsprechend an, welche auszugsweise lautet:

42 UrhG – Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung [Auszug]

„(1) Der Urheber kann ein Nutzungsrecht gegenüber dem Inhaber zurückrufen, wenn das Werk seiner Überzeugung nicht mehr entspricht und ihm deshalb die Verwertung des Werkes nicht mehr zugemutet werden kann.

[…]

(3) Der Urheber hat den Inhaber des Nutzungs­rechts angemessen zu entschädigen. Die Entschädigung muß mindestens die Aufwendungen decken, die der Inhaber des Nutzungsrechts bis zur Erklärung des Rückrufs gemacht hat; jedoch bleiben hierbei Aufwendungen, die auf bereits gezogene Nutzungen entfallen, außer Betracht. Der Rückruf wird erst wirksam, wenn der Urheber die Aufwendungen ersetzt oder Sicherheit dafür geleistet hat. Der Inhaber des Nutzungs­rechts hat dem Urheber binnen einer Frist von drei Monaten nach Erklärung des Rückrufs die Aufwendungen mitzuteilen; kommt er dieser Pflicht nicht nach, so wird der Rückruf bereits mit Ablauf dieser Frist wirksam.

[…]“

Die Hürde der Zumutbarkeit war dabei früher recht hoch. Paradebeispiel war hierfür das frühere Aktmodel, welches „den Glauben“ gefunden hatte und als Nonne ins Kloster gehen wollte. Verneint wurde ein „wichtiger Grund“ hingegen für den Fall, dass eine ursprünglich vorrangig leichtbekleidet arbeitende „Darstellerin“ als Schauspielerin ins sog. „ernste Fach“ wechseln wollte (OLG München, Urteil vom 17.03.1989, Az. 21 U 4729/88).

Abschreckend vor einem Rückruf der Einwilligung wirkte insoweit auch die damals (noch) bestehende Entschädigungspflicht des vorstehend auch zitierten Absatzes 3.

Dies ist seit Inkrafttreten der DS-GVO zumindest außerhalb der rein analogen Fotografie in erheblichen teilen (Rechts-)Geschichte. Da aber wohl kaum ein Film oder Foto mehr ohne digitale Zwischenschritte (sei es Schnitt oder Bearbeitung) verwertet wird, sind die Auswirkungen erheblich.

  1. Nicht nur Dein Gesicht ist ein (personenbezogenes) Datum…Der Teufel liegt im „Detail“!

Spätestens mit Inkrafttreten der auf europäischer Gesetzgebung beruhenden DS-GVO ist jedoch bei jedem digital verarbeiteten Bildnis, auf welchen eine Person erkennbar bzw. identifizierbar ist, die vorstehend skizzierte Rechtslage durch das Datenschutzrecht überlagert. Denn „personenbezogene Daten“ sind laut dem Wortlaut des Artikels 4 Ziffer 1 DS-GVO „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;“

Wie weit diese Regelung der „Identifizierbarkeit“ geht, kann man sich an Hand einer imaginären kurzen Filmaufnahme eines ggf. leicht hinkenden, einen Stock nutzenden und auch im Übrigen sehr gut gekleideten, durch Paris flanierenden älteren Herren mit Sonnenbrille und langem weißen Haar, welcher „nur“ von der Rückseite her zu sehen ist, vorstellen, indem man Stück für Stück einzelne Merkmale in Gedanken streicht.

Von „Überlagerung“ des KUG durch die DS-GVO muss man übrigens deshalb sprechen, da die DS-GVO ein neueres Gesetz ist, als das KUG.

Ausnahmen hat der deutsche Gesetzgeber (leider) zwar nicht für künstlerische Bildnisse, zumindest aber für den Pressebereich geschaffen. Ein solches war ihm durch Artikel 85 DS-GVO ausdrücklich erlaubt und dies fand bspw. bereits in einem Urteil des Bundesgerichtshofes zur Frage, ob über die Scheidung einer prominenten Komikerin in Wort und Bild berichtet werden dürfe, Anwendung:

„Der Anwendbarkeit der §§ 22, 23 KUG steht im hier betroffenen journalistischen Bereich die zwischenzeitlich eingetretene Geltung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung/DS-GVO, ABl. L 119 S. 1, ber. ABl. L 314 S. 72 und ABl. 2018 L 127 S. 2) schon deshalb nicht entgegen, weil die Länder aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 85 DS-GVO Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken von den die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffenden Vorschriften in Art. 6 und Art. 7 DS-GVO ausgenommen haben (so z.B. in § 19 Abs. 1 Berliner Datenschutzgesetz – BlnDSG vom 13. Juni 2018 [GVBl. S. 418]; § 12 Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – Landespresse-gesetz NRW in der Fassung des Gesetzes vom 8. Mai 2018 [GV. NRW. S. 214]) und die §§ 22, 23 KUG im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen im journalistischen Bereich als die Öffnungsklausel des Art. 85 DS-GVO ausfüllende Gesetze anzusehen sind (vgl. zum sogenannten Medienprivileg BVerfG, AfP 2020, 35 Rn. 11 f., 74; Senatsurteil vom 9. Februar 2010 – VI ZR 244/08, juris Rn. 25 f., 41 mwN; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 Rn. 29 ff. mwN; Cornils in BeckOK InfoMedienR, 28. Ed., DS-GVO Art. 85 Rn. 114 ff. mwN).“

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.07.2020, Az. VI ZR 246/19, Rdnr. 11)

 Für den journalistischen Bereich bleibt es also bei obiger Rechtslage und insbesondere auch der Geltung des § 23 KUG.

Eine frühe Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus Oktober 2018 ging zwar zunächst davon aus, dass auch das KUG neben der DS-GVO unverändert Anwendung fände (OLG Köln, Beschluss vom 08.10.2018, 15 U 110/18). So dankbar, wie auch ich diese Entscheidung als passionierter Fotograf damals aufnahm, so schwer dürfte sie nach dem vorstehend zitierten (späteren) Urteil des Bundesgerichtshofes noch zu halten sein. Denn dann hätte der Bundesgerichtshof sich in der auszugsweise zitierten Entscheidung nicht konkret auf die tatsächlich bestehende Ausnahmeregelung zum (hinsichtlich Bildnissen nur) journalistischen Bereich beziehen müssen, sondern generell das KUG als vorrangig vor der DS-GVO angenommen.

In anderen Bereichen existieren dank der entsprechenden Ermächtigung durch den europäischen Gesetzgeber erhebliche Ausnahmen von der DS-GVO. Die Frage, warum gerade der Kunstbereich hierbei ausgenommen wurde, erschließt sich nicht.

Auch eine Antwort der früheren Bundesregierung auf eine sog. kleine Anfrage vom 11.06.2018 (BT-Drucksache 19/2653, zu finden unter https://dserver.bundestag.de/btd/19/026/1902653.pdf ) dürfte vor dem Hintergrund der vorstehenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs zwar noch immer lesenswert, aber nicht mehr entscheidend sein. Nur der Vollständigkeit wegen sei darauf hingewiesen, dass dort u.a. ein heutiger Minister der Ampelkoalition im Rahmen einiger Fragestellungen den Finger sehr genau in die hier besprochene „Wunde“ legte. Die frühere Bundesregierung sah gleichwohl im Hinblick auf den hier aufgezeigten Widerspruch zwischen § 22 KUG und Artikel 7 DS-GVO keinen Handlungsbedarf. Sie begründete es u.a. damit, dass nach ihrer insoweit falschen Auffassung bereits eine frühere Einwilligung nach § 22 KUG jederzeit widerruflich (gewesen) sei.

„Erfolgt die Anfertigung auf der Grundlage einer Einwilligung der betroffenen Person(en), ist diese bereits nach geltendem Recht jederzeit widerrufbar.“

(vgl. die Antwort der (früheren) Bundesregierung vom 11.06.2018, Seite 15, BT-Drucksache 19/2653, zu finden unter: https://dserver.bundestag.de/btd/19/026/1902653.pdf)

Diese Annahme der früheren Bundesregierung war aber, wie u.a. obiges Beispiel einer Entscheidung des OLG München aufzeigt, wohl zumindest nicht allgemeine Rechtsauffassung. Eine Einwilligung nach § 22 KUG war wie bereits beschrieben allenfalls aus wichtigem Grund und nach wohl überwiegender Auffassung nur gegen Erstattung des sog. Vertrauensschadens widerruflich.

Was ist mithin die Folge einer Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf digital verarbeitete Bildnisse (identifizierbarer) Personen?

Diese Bildnisse werden nicht mehr allein nach den ausgewogenen Regelungen des KUG (und – was den evtl. Widerruf einer Einwilligung angeht – einer analogen Anwendung des § 42 UrhG) zu beurteilen sein, sondern insbesondere auch nach Artikel 6 DS-GVO, dort auszugsweise:

Art. 6 DSGVO – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung [Auszug]

„(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, […] erforderlich, […]“ 

Man könnte nun auf den ersten Blick meinen, dass die Einwilligung in vorstehendem Buchstaben a) sich im Gleichlauf zu selbiger des oben zitierten § 22 KUG befindet. Immerhin gestattet auch die DS-GVO die Verarbeitung nach entsprechender Einwilligung. Besonderheit der datenschutzrechtlichen Einwilligung ist jedoch, dass diese gemäß Artikel 7 Abs. 3 DS-GVO seitens der abgebildeten Person jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerruflich ist.

Artikel 7 Absatz 3 DS-GVO – Bedingungen für die Einwilligung

 „(3) Die betroffene Person hat das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Durch den Widerruf der Einwilligung wird die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht berührt. Die betroffene Person wird vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Kenntnis gesetzt. Der Widerruf der Einwilligung muss so einfach wie die Erteilung der Einwilligung sein.“

Nun mag es für Hobby-Fotografen zwar mehr oder weniger praktikabel sein, im Falle des Widerrufs eines (ggf. ebenfalls Hobby-) Models die Fotos der abgebildeten Person von seiner Homepage oder aus seinen Accounts zu löschen. Im Falle einer aufwändigen Kalenderproduktion, eines Ausstellungsprojekts oder eines CD-Covers sieht die Sache aber schon ganz anders aus. Was, wenn diese dann nicht mehr nachgedruckt werden könnten?

Abgesehen davon passieren im Rahmen der Bereinigung der Accounts und Websites nach einem solchen Widerruf nicht selten Fehler. Für die komplette Löschung muss man zunächst erstmal selbst den Überblick haben, wo man überall Profile hatte und welche Inhalte dort gepostet wurden. Soweit nach Widerruf einer Einwilligung das betroffene Bildnis nicht unverzüglich und vollständig beseitigt wird, kann dies zu einer kostenpflichtigen Abmahnung und neben den damit verbundenen durchaus höhenmäßig „schmerzhaften“ Anwaltskosten auch zu Schadensersatzforderungen führen.

 

II. Soll ich also nun auf analog bzw. die gute alte Filmrolle umsteigen?

Es existiert eine Lösung für das vorgenannte Problem der jederzeitigen Widerruflichkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung und die hält die DS-GVO in Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b) bereit und zwar dann, wenn „die Verarbeitung […] für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, […] erforderlich“ ist.

Bislang sind die „gängigen“ Model-Releases als bloße (einseitige) Einwilligungen ausgestaltet. Seit Inkrafttreten der DS-GVO sollten Fotografen und Filmemacher versuchen, mit den abgebildeten Personen einen Vertrag zu schließen. Verträge sind zu halten und unterfallen nicht der Regelung des Artikel 7 Absatz 3 DS-GVO. In der Praxis dürfte schon bisher mit Schauspielern und bezahlten Models ein Vertrag geschlossen worden sein, welcher u.a. auch dessen Vergütung regelte. Für andere Fälle wie insbesondere bei sog. TFP-Shootings von Hobby-Fotografen lässt sich dies aber rechtlich auch gut abbilden. Ein wesentlicher Unterschied zur bloßen einseitigen Einwilligung ist sehr vereinfacht gesprochen darin begründet, dass unter dem Papier beide Parteien unterzeichnen. Aber auch dem sonstigen Inhalt nach sollten die im Gebrauch befindlichen „Model Releases“ überarbeitet werden. Nicht selten werden diese schon bisher nämlich mit dem Argument angefochten, sie seien unklar formuliert oder gemessen an dem Umfang der Verwertungsmöglichkeiten sittenwidrig.

Also statt einer nunmehr zwei Unterschriften und das reicht?

Leider nicht! Denn neben der Widerruflichkeit der bloßen Einwilligung, welche durch Abschluss eines Vertrages verhindert werden könnte, hält die DS-GVO für beide Arten der Verwertung erhebliche Informationspflichten seitens des Verwerters bereit.

Zum Umfang dieser Informationspflichten könnte man einen eigenen (für das nicht juristisch vorgebildete Publikum recht schwer zu verstehenden und überdies zugegeben sehr langweiligen) Artikel verfassen. Einen ersten Einblick in den Umfang der Informationspflichten finden Interessierte durch Lektüre des Artikels 13 DS-GVO:

Art. 13 DS-GVO – Informationspflicht bei Erhebung von personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person

(1) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person erhoben, so teilt der Verantwortliche der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten Folgendes mit:

 a) den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sowie gegebenenfalls seines Vertreters;

  1. b) gegebenenfalls die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten;
  2. c) die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung;
  3. d) wenn die Verarbeitung auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f beruht, die berechtigten Interessen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden;
  4. e) gegebenenfalls die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten und
  5. f) gegebenenfalls die Absicht des Verantwortlichen, die personenbezogenen Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation zu übermitteln, sowie das Vorhandensein oder das Fehlen eines Angemessenheitsbeschlusses der Kommission oder im Falle von Übermittlungen gemäß Artikel 46 oder Artikel 47 oder Artikel 49 Absatz 1 Unterabsatz 2 einen Verweis auf die geeigneten oder angemessenen Garantien und die Möglichkeit, wie eine Kopie von ihnen zu erhalten ist, oder wo sie verfügbar sind.

(2) Zusätzlich zu den Informationen gemäß Absatz 1 stellt der Verantwortliche der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten folgende weitere Informationen zur Verfügung, die notwendig sind, um eine faire und transparente Verarbeitung zu gewährleisten:

 a) die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

  1. b) das Bestehen eines Rechts auf Auskunft seitens des Verantwortlichen über die betreffenden personenbezogenen Daten sowie auf Berichtigung oder Löschung oder auf Einschränkung der Verarbeitung oder eines Widerspruchsrechts gegen die Verarbeitung sowie des Rechts auf Datenübertragbarkeit;
  2. c) wenn die Verarbeitung auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a beruht, das Bestehen eines Rechts, die Einwilligung jederzeit zu widerrufen, ohne dass die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung berührt wird;
  3. d) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
  4. e) ob die Bereitstellung der personenbezogenen Daten gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben oder für einen Vertragsabschluss erforderlich ist, ob die betroffene Person verpflichtet ist, die personenbezogenen Daten bereitzustellen, und welche mögliche Folgen die Nichtbereitstellung hätte und
  5. f) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

(3) Beabsichtigt der Verantwortliche, die personenbezogenen Daten für einen anderen Zweck weiterzuverarbeiten als den, für den die personenbezogenen Daten erhoben wurden, so stellt er der betroffenen Person vor dieser Weiterverarbeitung Informationen über diesen anderen Zweck und alle anderen maßgeblichen Informationen gemäß Absatz 2 zur Verfügung.

 (4) Die Absätze 1, 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn und soweit die betroffene Person bereits über die Informationen verfügt.

Diese Informationspflichten kann man zwar – sowohl im Falle einer Einwilligungs- als auch Vertragslösung – mit den abgebildeten Personen grundsätzlich umsetzen. Man stelle sich aber ein Model vor, welches vor dem Shooting im TFP-Bereich von dem Hobby-Fotofragen neben einem kurzen Vertrag von einer halben oder maximal einer A4-Seite, welcher noch recht gut verständlich ist, den Ablauf des Shootings oder der sonstigen Aufnahmen und die geplanten Verwertungshandlungen (z.B. online zum Abruf unter möglichst genauer Benennung der Portale) darstellt, nochmals einige Seiten datenschutzrechtliche Informationen erhält. Dadurch werden aus einem A4-Blatt recht schnell mehrere Seiten „Rechtsdeutsch“, was den anderen Teil verständlicherweise verunsichern kann.

Aus Mandantensicht erhalten wir Anwälte insoweit häufig den Kritikpunkt der fehlenden Praktikabilität, welcher allerdings auf die gesetzliche Lage zurückzuführen ist. Diese Informationspflichten kann man versuchen, durch Aushänge oder Vorabübersendung eines PDF mit begleitender Kurzerläuterung, abzudecken. Gerade im künstlerischen Bereich wird es auch sicherlich denkbar sein, dies humorvoll zu verpacken. Am Ende des Tages wird aber eine rechtssichere Belehrung immer nur durch Überlassung der Informationen und ausreichender Protokollierung – zum Beispiel durch Gegenzeichnung des Erhalts – möglich sein. Ein kleingedruckter Aushang an der Tür eines Fotostudios hingegen dürfte nicht wahrgenommen und damit nicht gelesen werden.

Zumindest im professionellen Bereich hat sich daher die Vertragslösung zuzüglich (leider oft sehr) umfangreicher Datenschutzbelehrung durchgesetzt und – da die DS-GVO glücklicherweise branchenübergreifend diskutiert wurde – kann man bei dem Gegenüber bei ausreichend transparenter Darstellung auch auf Verständnis hoffen.

Im semi-professionellen Bereich dürfte weiterhin eine (dann aus Praktikabilitätserwägungen häufig wieder nur recht kurze) Einwilligung besser sein als nichts. Im Falle von Dokumentarfilmen außerhalb des journalistischen Bereichs, sollte das Kamerateam ausreichend als solches einer bspw. Werbefoto- oder (Film-)Produktion erkennbar sein, z.B. durch den Namen der Produktionsfirma auf der Kleidung. Zudem wäre es vorteilhaft evtl. Flyer mit weitergehenden Informationen vorzuhalten, welche an Passanten und Interessenten ausgegeben werden können.

Wer sich übrigens auf den Satz „Ohne Kläger kein Richter!“ und sein bisheriges Glück verlassen will, dem kann der Autor dieses Textes die kuriosesten Beispiele erzählen, in welchem die kostenpflichtige Abmahnung oder gar Klage oft erst viele Jahre später kam. Darauf, dass eine etwaige Verletzung nicht gefunden wird, sollte man in Zeiten digitaler Bildersuche keinesfalls vertrauen.