Nun also doch: Urheberrechtliche Haftung für Hyperlinks doch möglich! – EuGH C‑160/15

Die durch (uns) Urheberrechtler lange erwartete Entscheidung des EuGH (Hyperlinks III.) ist endlich ergangen und wieder einmal wird alles anders!

Zur Vorgeschichte:

Seit langem ist durch die deutsche wie bestätigend EuGH-Rechtsprechung entschieden, dass Hyperlinks auf urheberrechtlich relevantes Material grds. erlaubt sind. Die Entscheidungen ergingen aber sämtlich zu fällen, in welchen das verlinkte Material von Rechteinhaber selbst online gestellt wurde. Die dt. Rechtsprechung behalf sich insoweit mit einer stillschweigenden Einwilligung, entschied den Fall mithin auf Ebene der Frage der Rechtswidrigkeit. Nur dann, wenn Zugangssperren (z.B. Passwörter) umgangen würden, wäre die Verlinkung nicht mehr von dieser Einwilligung nicht erfasst, mithin rechtswidrig. Der EuGH hatte über zwei vorangegangene Entscheidungen eine andere Begründung parat. Er entschied es nicht auf Ebene der Einwilligung sondern an Hand des Begriffs der „Öffentlichkeit“. Nur dann, wenn das Werk einer „neuen Öffentlichkeit“ zugänglich würde (z.B. weil vorher nur einem beschränkten Nutzerkreis…wieder die Passwortproblematik), läge in der Verlinkung eine „öffentlich Zugänglichmachung“ i.S.d. § 19a UrhG.

Diese Rechtsprechung warf ein neues Problem auf, welches an Hand der vormaligen dt. Begründung hätte einfach gelöst werden können. Was nämlich passiert, wenn das verlinkte Werk nicht vom Rechteinhaber sondern einem Dritten online gestellt würde? Die ursprüngliche (dt.) Begründung hätte dazu geführt, dass dann keine Einwilligung (des Rechteinhabers) vorgelegen hätte, mithin die Verlinkung rechtswidrig wäre. Nach stringenter Anwendung der vorherigen EuGH-Urteile jedoch wäre dies auch keine „neue Öffentlichkeit“ gewesen.

Das Problem:

In der Praxis stellte dies Rechteinhaber vor fast unlösbare Probleme, insbesondere der Beweislast. Denn faktisch konnten Rechtsverletzer Werke auf ferne Server (z.B. in Asien oder den USA) stellen, ohne dass dies nachweisbar wäre und zugleich von ihren (teils kommerziellen) Websites „lediglich verlinken“, was ohnehin schon online stand.

Die Entscheidung des EuGH in Sachen  

GS Media BV

gegen

Sanoma Media Netherlands BV,

Playboy Enterprises International Inc.,

Britt Geertruida Dekker 

Az.: C‑160/15

Der Europäische Gerichtshof ist – auch wenn er dies nicht deutlich schreibt – nun etwas zurück gerudert. Er stellt dabei das Onlinestellen durch einen Dritten (nicht der Rechteinhaber) zunächst gleich dem Fall, dass durch Verlinkung Zugangssperren überwunden werden. Denn das Einverständnis des Rechteinhabers in die öffentliche Zugänglichmachung (§ 19 a UrhG) sei bereits Tatbestandsvoraussetzung.

 

Den Bedenken, dass ein einfacher Blogger oder sonstiger Websitebetreiber nicht ohne weiteres die Legalität des verlinkten Werkes prüfen kann, begegnet der EuGH durch die Unterscheidung zwischen gewerblichen Verlinkungen (mit „Gewinnerzielungsabsicht“) und sonstigen Verlinkungen. Bei Verlinkungen mit Gewinnerzielungsabsicht wäre dem Linksetzer zumutbar, weitergehend zu recherchieren, ob die Rechte beim Betreiber der verlinkten Website lagen. Es bestehe insoweit eine Vermutung, dass er von der Rechtswidrigkeit wisse. Für sonstige Linksetzer komme es auf die positive Kenntnis desselben oder grob fahrlässige Unkenntnis an.

 

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist. (EuGH a.a.O., Rz. 55)

 

Insoweit bleibt nunmehr spannend, ob der deutsche Bundesgerichtshof diese Lösung in Form seiner bislang (hier, anders als im Wettbewerbsrecht) noch angewandten Unterscheidung zwischen Täter- und Störerhaftung adaptiert oder ggf. auch dort das nunmehr im Wettbewerbsrecht angewandte Modell übernimmt. Denn Störer haften hiernach bislang nur auf Unterlassung und ggf. Abmahnkosten, nicht aber Schadenersatz.

Was ist also zu tun, wenn Ihre Rechte an urheberrechtlich geschützten Werken auch durch Hyperlinks auf ferne Server beeinträchtigt werden?

Der Linksetzer ist (dies vorsorglich neben E-Mails/Fax auch per Einwurfeinschreiben oder Boten) auf die Rechtsverletzung hinzuweisen. Sollte der Linksetzer den Link nicht entfernen, so kann er zukünftig auf Unterlassung (und – was ungeklärt ist – evtl. auch Schadenersatz) in Anspruch genommen werden. Bei kommerziellen Verlinkungen (hierunter fallen auch Zeitungen) besteht zudem die Vermutung der Kenntnis der Rechtswidrigkeit. Gleichwohl ist auch hier bei erstmaliger Verlinkung zur Inkenntnissetzung zu raten, da der Linksetzer diese Vermutung entkräften könnte, was zu negativen Kostenfolgen im Falle einer direkten Inanspruchnahme auf Unterlassung führen kann.